Liebste Leserboys und Lesergirls,
Sei es der Fall, dass ihr unter 25 seid und eure Eltern euch nach der Pubertät tatsächlich noch ganz gut leiden können, habe ich einen Vorschlag für euch. Fahrt mit ihnen in den Urlaub! Nicht in irgendeinen, quartiert euch mit den Menschen, die euch gemacht haben, auf der AIDA ein! Ihr als jugendliche Jungspunde (als welche ihr mit 24 eingestuft werdet und zwar völlig zu Recht) zahlt 1. weniger als 10% des Normalpreises und kriegt 2. die Hucke voll mit Spaß gepackt, ihr wisst gar nicht wohin mit euch.
Vielleicht seid ihr ebenso leidenschaftliche Esser wie ich, dann kann ich euch mit gutem Gewissen versprechen, dass es sich schon aus diesem Grunde lohnen wird. Jeden Morgen habe ich mindestens eine Schweinefamilie verschlungen.
Liebevoll angerichtet – in einem Berg von Frenchtoast und Früchten – versteht sich. Das war schön und ich erzähle noch immer sehr gerne davon.
Vielleicht seid ihr aber auch kulturinteressiert, kommt ja auch vor. Dann könnte es sein, dass ihr auf dem schönen Schiffchen selbst, intellektuell in mittelschwere Hungersnöte verfallt.
Nicht, dass dem zahlenden Schiffsreisen keine hauseigene Bibliothek (die sich hübscher Weise Hemingway-Lounge nennt) geboten würde, oder ein nettes Theater mit stets wechselnden Shows, nein nein, ist alles da, aber jetzt kommt der Schock: Klassisches Drama sucht der aufgeschlossene Theatergänger vergebens. Ja sapperlot!
Fancy Western Shows sind aber auch voll geil, die Kostüme blinken, die Perücken sitzen gut und die professionell ausgebildeten Stimmen touchen auch den kältesten Eisklotz ganz deep down im heart. Ja und überhaupt, mit heißen Tanzeinlagen weiß man bei der AIDA wahrlich nicht zu geizen, man sagt ja nicht umsonst, dass no business like showbusiness sei, ne!
Besonders gut gefiel mir die 70er-Jahre-mäßig angehauchte Inszenierung am Poolbereich. Das hätte das geschulte Starlight-Express-Cast beileibe nicht besser hinkriegen können.
Falls ihr glaubtet, Bingo sei eine eingestaubte Spießer-Disziplin ohne Herz und Seele, dann liegt ihr aber mal SOWAS VON DANEBEN! Shame on you, aber ihr bekommt hiermit die Möglichkeit geliefert euren Fehler zu korrigieren. Selten habe ich Emotionen so leidenschaftlich hochkochen sehen. Das hätte mir mal meine Mathelehrerin damals sagen sollen, dass mir eines Tages willkürliche Zahlenkombinationen die Freudentränen in die Augen treiben würden. Man möchte meinen, dass den erfahrenen Kreuzfahrtenfahrer vielleicht nichts mehr von den Socken hauen würde, aber ein Abend Bingo und die Bude brennt, ich schwöre hoch und heilig (man schwört hoch und heilig, oder?)!
Zu viel emotions kann ein einziger Mensch auf Dauer aber auch nicht so gut vertragen, weshalb die Lieblingsorte meiner Mutter und mir wohl vorrangig die drei verschiedenen Bars des Schiffs ausmachten. Während Papa sich freiwillig vorm Fernseher parkte (Sportschau –> wichtig!), arbeiteten Mama und ich mit großem Ehrgeiz nun einige Abende daran, die hochgekochten Gefühle der Bingo-Exzesse wieder ein bisschen down zu coolen. Hat gut geklappt, ich habe auch Fotos davon, die zeige ich euch aber nicht. Sorry.
Jetzt lest ihr diesen Artikel schon seit 467 Wörtern und ihr fragt euch sicherlich, wann denn endlich mal die geilen Urlaubstipps kommen. Uff, ja erwischt. Ausreden zuerst, während der 6-8 Stunden Landgang hat man ECHT NICHT SO VIEL ZEIT! Also kommen wir jetzt zum peinlichen Teil, zückt die Stifte, meine Tipps sind der Wahnsinn. In Palma gibt es eine Kathedrale. Die Catedral-Basílica de Santa María de Palma de Mallorca. Schönes Ding, ganz schön groß, die Lautsprechervorrichtungen, die einen durch den Bau führen sollen funktionieren aber auf eine Art und Weise, die mir leider verschlossen blieb.
Das war’s auch schon von Palma, dann sind wird schon wieder los geschippert. Nächstes Ziel: Cádiz. Ist touristisch gar nicht so wahnsinnig belagert, dementsprechend wenig haben wir dort an Sehenswürdigkeiten mitgenommen. Eine alte Camera Obscura gibt es allerdings, die man sich gut mal 20 Minuten anschauen kann! Auch sehr zu empfehlen: Ohne Geld, Begleitung oder Stadtplan einfach allein drauf los stapfen und sich heillos verlaufen.
Die Landzunge ist zwar nicht besonders groß, trotzdem aber durchaus in der Lage, bei ganzheitlicher Überquerung für blutende Füße und exorbitante Panik zu sorgen. Schnell weg hier, rüber nach Marokko, Tanger um genauer zu sein. Auch wieder so eine touristisch mittelinteressante Stadt, jedenfalls wenn man sie einmal mit den Beauty Queens unter den Städten Marrakesch und Casablanca vergleicht. Sehr zu empfehlen ist es da aber, sich eine kleine Tour zu buchen (nicht die von der AIDA angebotenen!!!), die einen durch die Umgebung und Medina führt.
Markthalle, winzige Gassen und verschiedenste Gerüche sind schon ein Erlebnis. Am Ende noch flott den obligatorischen Minztee und schnell weiter nach Málaga. Da kann man sehr hübsch im römischen Amphitheater herumspazieren, aber vor allem sollte man sich ein bisschen Zeit für das Picasso-Museum nehmen, das ist nämlich sehr interessant, die Lautsprecherdinger funktionieren sehr gut und später könnt ihr erzählen wie ihr damals so sophisticated im Picasso-Museum abhingt. Das mache ich jetzt auch immer so. Kommt immer gut an. Was man in Cartagena machen kann, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich war bei Massimo Dutti und habe in den Bergen ein paar Fotos gemacht und ich denke, damit bin ich schon sehr gut gefahren. So und last but not least steht hier noch Valencia auf meinem Notizzettel. Da bin ich ebenfalls überfragt. Wir waren als pflichtbewusste Touristen im Oceanogràfic, dem größten Aquarium Europas. Beim Anblick von eingepferchten Belugawalen und Seekühen kam mir allerdings die Erleuchtung, dass das vielleicht gar nicht so geil ist. Tut dies vielleicht also besser nicht.
Keine Bange, mit miesepetrigem Gemecker lasse ich einen feucht fröhlichen Artikel natürlich nicht so holterdipolter enden. Meinen Lieblingsmoment der ganzen Reise wollte ich mir nämlich für den Schluss aufheben, auch, weil dieser Moment jeden Abend so wunderschön wiederholt wurde. Pünktlich zu jedem Auslauf aus dem Hafen nämlich, spielte der talentierte Schiffs-Artist DJ Sascha die faszinierend lieblichen Klänge Enyas legendärem Smashhit SAIL AWAY. Das gab klatschende Hände so weit das Auge reicht. Toll.
Ich habe mir am zweiten Abend in einem etwas anklagenden Ton sagen lassen, dass dies alles für mich doch nur Satire sei. Ich habe dem nicht widersprochen, möchte an dieser Stelle aber auch einmal in die Runde fragen, was genau daran denn bitteschön verwerflich sein soll??? Ist es denn nicht einfach schön, dass ich Spaß hatte? Warum auch immer? Trotzdem, zu viel Spaß ist ungesund, ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass meine Kreuzfahrtkarriere wohl bis auf weiteres aufs Eis gelegt ist. Ich möchte mein Zwerchfell nicht unnötig in Gefahr bringen. 
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